Step Across The Border

Gegen das Verschwinden

In diesen als „Roman“ deklarierten erzählten Erinnerungen beschreibt Ulrike Edschmid ihre Jahre mit Philip Werner Sauber, der als 20jähriger aus einer großbürgerlichen Familie in Zürich ins kalte graue Westberlin zieht. Dort studiert er Film und wird für ein paar Jahre der Lebensgefährte von Ulrike Edschmid, die einen kleinen Sohn aus einer früheren Beziehung mitbringt.

Die ebenfalls mit dem Medium des Films erfahrene Autorin beschreibt in lakonischem und drehbuchartigem Stil ihre gemeinsame Zeit im politisch sich radikalisierenden Berlin, angefangen von Philips auf völlige Unverständnis stoßenden ersten und einzigen Experimentalfilm über die Politisierung der Kunstszene bis hin zum Verschwinden Philips im Untergrund und seines gewaltsamen Todes 1975, offiziell nach einem Schusswechsel mit der Polizei, offenbar aber durch eine polizeiliche Hinrichtung, wie es sie in dieser Zeit ja häufiger gab. Philip Sauber war Mitglied der „Bewegung 2. Juni“.

Gerade der knappe und sachliche, jegliche Sentimentalität vermeidende Ton ist es, der eine/n hineinzieht in die Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er, als Privates von Politischem nicht mehr zu trennen war. Das Buch gewährt einen intimen Blick auf die gegen die erstarrten gesellschaftlichen Verhältnisse Aufbegehrenden, und es macht wütend auf die Brutalität eines Staats, dessen schuldhaftes Handeln bis heute im Mainstream geleugnet wird.

 

Ulrike Edschmid: Das Verschwinden des Philip S. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013. 157 Seiten, 15,95 EUR.

 

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